
Man kann viele Experimente mit Schnee machen. Man kann mit der Herstellung von Schnee experimentieren. Dazu kann man Luft über ein Wasserbecken streichen lassen, die dann Feuchtigkeit aufnimmt, die dann widerum kondensiert wodurch sich in der Kälte an den Schnüren dann Eiskristalle anlagern. Schneeflocken wachsen. Alle 15 Minuten rüttelt der Apparat, und der künstliche Normschnee rieselt in ein Auffangbecken. Ein paar Kilo Schnee kann man so täglich erzeugen. Der Grundstoff für die Schneeexperimente. Man kann auch mit Schneeschichten experimentieren. Bisher wurde immer angenommen, dass Schnee homogen ist, aber geht man der Sache mal näher auf den Grund, dann findet man heraus, dass Schnee sehr heterogen und dynamisch über Schneeschichten hinweg ist. Man kann auch Eisbrocken zerkleinern und mit den Eissplittern eine verharschte Loipe modellieren, was für Hersteller interessant ist, die auf der Suche nach optimalen Materialflächen für Skier, Snowboards, etc. Man kann auch untersuchen wie sich die ökologisch fragwürdige Einsalzung von Pisten bei zu warmem Wetter auswirkt. Löst sich Salz in (Schmelz-)Wasser auf, wird dem Schnee Wärme entzogen – er wird wieder fester. Lawinen sind auch ein wichtiges Forschungsgebiet. Weitere Forschungsgebiete sind die optischen Methoden der Fernüberwachung der Schneedecken von Satelliten aus. Welche Aussagen kann man aufgrund von Spektralanalysen des vom Schnee reflektierten Lichts hinsichtlich des Schneedeckenaufbaus machen? Kann man »verdächtige«, möglicherweise Lawinen auslösende Strukturen vom Satelliten aus erkennen? Wenn ja, was kann man für Geräte aus Medizintechnik, Geotechnik, Glaziologie, Geostatistik, Satellitentechnik und Materialkunde für die weitere Erforschung von Schnee einsetzen?
Schneebeli entwickelte am Institut zunächst einen »Snow micro pen«, ein hochauflösendes Schneepenetrometer, das sich durch die Schneedecke bohrt und den Druck misst, unter dem einzelne Schneekristalle gebrochen werden. Jeder Bruch erzeugt ein Signal im Stift. An den Ergebnissen kann man die Qualitäten der verschiedenen Schichten im Schnee ablesen und nassere von verharschten, schwächere von stabilen Schichten unterscheiden. Den Snow micro pen ließ sich Schneebeli zusammen mit einem Kollegen aus Alaska patentieren. Jährlich werden ein paar Exemplare am SLF gebaut und nach Indien, Japan, in die USA oder nach Skandinavien ausgeliefert. 35.000 Franken kostet das schwere Präzisionsgerät; die Davoser denken darüber nach, eine abgespeckte Version für Praktiker, etwa im Lawinenschutz, zu entwickeln.
Besonders stolz ist er auf einen sogenannten Mikro-Computertomograf, eine Spende des Schweizerischen Nationalfonds. Für gewöhnlich wird solch ein teures Gerät in der medizinischen Forschung, etwa zur Untersuchung von Knochen, eingesetzt. Ein Computertomograf (CT) zur Erforschung des Schnees. Er kam auf die Idee da er neugierig war, wie es im Schnee ausschaut, wenn man man ein Stück aus einer Schneedecke ausschneidet, das Ganze mit einer Spezialflüssigkeit tränkt, es einfriert und dann geraspelte Schnittpräparate von dem Eisblock weiter untersucht. Irgendwie so. Er war jedenfalls auf der Suche nach einer Untersuchungsmethode und kam auf die Computertomografie. Mit dieser Methode kann er in einer Kapsel voller Schnee, die unten beheizbar und oben kühlbar ist und so die natürlichen Verhältnisse einer Schneedecke simuliert (erdbodennahe Bereiche sind meist wärmer als oberflächennahe), über Tage alle paar Stunden CT-Scans vornehmen. So kann der Forscher eventuelle Veränderungen detailliert, zeitnah und non-destructive am Bildschirm verfolgen. »Es war wie die Erfindung des Mikroskops. Auf einmal konnte ich sehen: Das lebt ja!« Schneebeli hatte wahrscheinlich als erster Mensch gesehen, was statt glitzernder Kristallordnung im Schnee herrscht: ein Leben und Treiben sondergleichen.
So lernt man, dass Schnee ein sehr dynamisches Hochtemperaturmaterial ist. Ein Buch über Schneeforschung. gibt es praktisch nicht. Dabei ist das Wissen über die Dynamik in einer Schneedecke, selbst innerhalb von Schichten, die man bisher für homogen hielt, manchmal überlebenswichtig. Forschungspotenzial bieten gerade die permanenten Veränderungen in der Schneedecke. So können sich Spannungen im Schnee rasch verlagern, was Auswirkungen auf die Lawinenforschung und die Lawinenvorhersage hat. Das hat Einfluss wie auch künftige Modellrechnungen die darauf folgenden beeinflussen werden. Polarforscher, Lawinenforscher, Atmosphärenforscher, alle interessieren sich für die Schneeforschung nur dass die Bedingungen der Forschung andere sind. So gehen Polarforscher davon aus dass, im ewigen Eis die globale Stickstoffchemie von Prozessen in der polaren Schneedecke beeinflusst wird. Das wirft Fragen auf nach zum Beispiel der Schnelligkeit der Schneeschmelze. Schmilzt Schnee in der Arktis schneller als in den Alpen oder im Taunus? Wasser ist in gefrorenem Zustand ein ganz besonderer Stoff und ein Material, das so viel beeinflussen kann, wie zum Beispiel die Ergebnisse und Bedingungen bei Olympischen Spielen oder den Verkehr auf den Straßen. Daher ist Schneeforschung auf den ersten Blick sehr wichtig.